Stromversorgung: Acht Cent gegen die Dunkelflaute

Energieerzeuger, die permanenten Ökostrom liefern können, sollen eine feste Prämie erhalten. Das soll Investitionen in innovative Energiesysteme anregen, hoffen die Experten. [hrui/ Shutterstock]

Kann man mit erneuerbaren Energien die Stromnetze gleichmäßig und stabil am Laufen halten, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht? Der ehemalige grüne Abgeordnete Hans-Josef Fell meint ja und legt einen Vorschlag vor, um das deutsche Stromnetz umzustellen.

Die zweite Hälfte der Energiewende steht an: Zwanzig Jahre nachdem Deutschland begann, systematisch grünen Strom zu fördern, wird dieser bald die Stromversorgung alleine tragen müssen. Bisher gestaltet sich das aber schwierig. Aufgrund wetterbedingter Schwankungen können Wind- Solar- oder Wasserenergie nicht die nötige gleichbleibende Frequenz- und Spannungshaltung im heutigen Stromnetz garantieren.

Ein Vorschlag der Energie Watch Group, einem globalen Zusammenschluss von Energie-Experten, soll dafür ein politisches Instrument schaffen. Das Modell sieht eine Förderung für Investoren vor, die eine durchgehende Versorgung mit grünem Strom sicherstellen können, unabhängig von Wetterschwankungen. Möglich ist das durchaus, es braucht allerdings eine kluge Vernetzung von Wind- Sonnen- oder Wasserkraftanlagen mit entsprechenden Speichern und einem digitalem Management.

Denkbar wäre das zum Beispiel für Krankenhäuser, Unternehmen oder ganze Nachbarschaften, die ihren Strom selber produzieren wollen. Laut des Vorschlags sollen kleinere Anlagen dafür eine sogenannte „Kombikraftwerksvergütung“ in Form einer festen Prämie erhalten: Acht Cent pro Kilowattstunde sollen laut Berechnungen der Experten ausreichen, um die nötigen Investitionen anzutreiben. Größere Anlagen, die nach geltendem laut EU-Recht am Strommarkt teilnehmen müssen, sollen in Form einer gleitenden Marktprämie gefördert werden.

„Der Aufgabe der Netzbetreiber für eine stabile Stromversorgung kann man nur nachkommen, wenn erneuerbare Energien mit Speichern und digitaler Steuerung kombiniert werden. Das wird auch den nötigen Schub für die Sektorenkopplung geben. Aber es fehlt bisher der nötige Anschub am Markt“, sagt einer der beiden Autoren des Entwurfs, der ehemalige Grünen-Abgeordnete und EEG-Begründer Hans-Josef Fell im Gespräch mit EURACTIV Deutschland.

Besonders Start-Ups, die für ihre innovativen Lösungen zur Sektorkopplung, zum Beispiel Energiespeicher, oder digitale Steuerungen, noch keinen Markt finden, sollen von dem Instrument profitieren.

Die Sektorkopplung gilt schon lange als Wunderlösung der Energiewende. Mithilfe der Elektrifizierung von Sektoren wie Gebäude, Verkehr und Industrie, wobei Strom in Elektroautos oder anderen Speichern oder auch als Gas oder Wärme gespeichert wird, soll das Stromnetz auf 100 Prozent erneuerbare Energien umgestellt werden. Doch bislang fehlt es an einem tragfähigen Konzept, obwohl Union und SPD dies im ihrem Koalitionsvertrag angekündigt hatten.

Kosten aus dem EEG gedeckt

Der Vorschlag Fells ist, wie schon das EEG vor 20 Jahren, ganz im Sinne der dezentralen, bürgerlichen Energieversorgung. Als Vorreiter könnten Privatleute, Stadtwerke oder produzierende Unternehmen in vernetzte Energieanlagen investieren, schlägt er vor. Für die Betreiber würde sich das doppelt lohnen: Zum einen würden sie sich selber mit Elektrizität versorgen, zum anderen könnten sie die acht Cent-Prämie auf überschüssigen, eingespeisten Strom erhalten.

„Es geht um eine Systemstabilisierung von unten her, mithilfe von kleinen und mittleren Anlagen. Statt in riesige Leitungssysteme zu investieren, würde man Investitionen in die örtliche Stromproduktion anreizen“, sagt Fell. Große Stromversorger könnten wiederum Strom von diesen kleineren Erzeugern aufkaufen. Damit könnten auch die rund 15.000 Ökostromanlagen, die bald aus der EEG-Förderung herausfallen, weiterhin betrieben werden.

Aber woher soll das Geld kommen? Weitere Kosten für den Verbraucher sollen nicht entstehen, versprechen die Autoren des Konzepts. Stattdessen sollen Mittel der EEG-Umlage das neue System mitfinanzieren. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn eine Solaranlage auf ihre EEG-Förderung verzichtet, um im Zusammenschluss mit anderen Anlagen Anspruch auf die neue Kombikraftwerksvergütung zu erhalten. „Ob sich das lohnt, muss jeder individuell für sich berechnen. Aber wir sind sicher, dass die Nachfrage groß wäre“, sagt Fell.

Dazu kämen die eingesparten volkswirtschaftlichen Kosten der fossilen und atomaren Energieerzeugung, die heute in hohem Maße für Öko- und Gesundheitssysteme belasten.

Schutz vor dem Blackout

Mit der Corona-Pandemie in vollem Gange sei auch ein anderer Aspekt wieder in den Vordergrund gerückt, meint Hans-Josef Fell: „Wir merken jetzt, dass Krisen real werden können. Das gilt auch für einen flächendeckenden Blackout. Der beste Schutz dagegen ist eine lokale autarkiefähige Eigenstromerzeugung, die durch die Kombikraftwerksvergütung angereizt werden kann“.

Zu einem Zeitpunkt, an dem die Wirtschaft dringend einen Stimulus braucht, um sich von der Corona-Krise zu erholen, könne man gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und auch die erneuerbaren Energien aus ihrer politischen Sackgasse katapultieren, hofft Fell. Eine Novelle des EEG, bei der bürokratische Hemmnisse beseitigt und die laufende Debatte um Ausbaudeckel und Abstandsregeln für Windräder beendet wird, sei trotzdem nötig. Der ehemalige grüne Abgeordnete möchte seinen Vorschlag bald an seine Kollegen im Bundestag übergeben und hofft, dass er dort auf Interesse stößt.

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