Fleischsektor: Anpassung an den Klimawandel oder Ruin

"Die Investoren können die unausweichliche Wahrheit für den Fleischsektor erkennen: Er muss sich an den Klimawandel anpassen oder steht in den kommenden Jahren vor dem Ruin." [SHUTTERSTOCK]

Ein neues Klimaszenario-Modell für den Fleischsektor zeigt, dass die Industrie im Falle des Szenarios einer um zwei Grad Celsius wärmeren Welt bis 2050 Milliarden verlieren wird.

Das Modell, das am Donnerstag, dem 12. März, von FAIRR, einem globalen Netzwerk von Investoren, das sich mit Umwelt-, Sozial- und Governance-Fragen in Proteinlieferketten befasst, veröffentlicht wurde, soll Investoren helfen, die finanziellen Auswirkungen des Klimawandels auf den Sektor zu verstehen.

Der Bericht kam zu dem Schluss, dass die Auswirkungen des Klimawandels und das rasche Wachstum alternativer Proteine „Milliarden von Dollar“ für die derzeitigen Giganten des Lebensmittelsektors gefährden könnten. Viele dieser Unternehmen könnten im Szenario einer um zwei Grad Celsius wärmeren Welt bis 2050, das vom IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change, dem Weltklimarat) entworfen wurde, „in den Ruin getrieben werden“.

Die Debatte über die Nachhaltigkeit des Fleischsektors hat sich bereits in der EU aufgeheizt, wobei die Rolle alternativer Proteine in politischen Kreisen zunehmend an Bedeutung gewinnt.

So hieß es beispielsweise in dem jüngsten Entwurf der „Farm to Fork“-Strategie, den EURACTIV einsehen durfte, dass ein „Schlüsselbereich der Forschung sich auf die Erhöhung der Verfügbarkeit und Quelle alternativer Proteine wie pflanzliche, mikrobielle, marine und insektenbasierte Proteine und Fleischersatzprodukte beziehen wird“.

Um das Instrument zu demonstrieren, modellierte das „Klimarisikoinstrument“ von Coller FAIRR die Auswirkungen des Klimawandels anhand von fünf führenden Fleischunternehmen und den breiteren Sektor für tierisches Eiweiß, einschließlich der Lieferanten von McDonald’s und Burger King,

Das Modell identifizierte sieben Hauptrisiken, die sich auf die Rentabilität des Fleischsektors im Jahr 2050 auswirken werden.

Der zähe Kampf ums Billigfleisch

Fleisch wird in Deutschland immer günstiger. Davon profitiert der preisbewusste Kunde, aber Bauern und Umweltschützer laufen gegen die Billig-Angebote Sturm. Die Regierung ruft nun zu einem Krisengipfel.

Zu den Risiken gehörten die gestiegenen Stromkosten aufgrund der Kohlenstoffpreise, höhere Futterkosten aufgrund schlechter Ernteerträge und eine erhöhte Tiersterblichkeit aufgrund von Hitzebelastungen.

Sie prognostiziert auch, dass bis 2050 „alternative Proteine“, wie beispielsweise Burger auf pflanzlicher Basis, mindestens 16 Prozent des derzeitigen Fleischmarktes ausmachen werden. Dieser Anteil könnte auf 62 Prozent steigen, basierend auf Faktoren wie der Technologieeinführungsrate, Verbrauchertrends und einer Kohlenstoffsteuer auf Fleisch.

Jeremy Coller, Gründer von FAIRR und Chief Investment Officer bei Coller Capital, betonte: „Der Klimawandel ist real und seine finanziellen Auswirkungen auch. Die Kosten für den Betrieb von Geflügelställen, für die Beschaffung von Futtermitteln für das Vieh und für die tierärztliche Versorgung werden mit den globalen Temperaturen steigen“.

„Dieses bahnbrechende Finanzmodell hat das durchkalkuliert. Die Investoren können die unausweichliche Wahrheit für den Fleischsektor erkennen: Er muss sich an den Klimawandel anpassen oder steht in den kommenden Jahren vor dem Ruin.“

Robert Wilson, ein Forschungsanalyst bei MFS Investment Management in den USA, sagte, dass „Megatrends wie das Klima Auswirkungen auf alle Sektoren haben und Unternehmen, die den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft nicht schaffen, die Renditen der Investoren negativ beeinflussen werden. Angesichts seines bedeutenden Kohlenstoff-Fußabdrucks könnte der Nahrungsmittelsektor mit erheblichen Erschütterungen konfrontiert werden“.

Sind Insekten die Zukunft der EU-Lebensmittelindustrie?

Lebensmittel aus Insekten sind bisher ein Nischenprodukt, aber sie gelten als vielversprechende Lösung für die Herausforderungen der Lebensmittelindustrie. Neue EU-Regelungen sollen den Weg für Insekten-Produkte ebnen – eine Wunderlösung sind sie aber nicht.

Die Analyse von FAIRR könne als „Instrument für den Informationsaustausch und die Förderung des Engagements mit den proteinproduzierenden Unternehmen über ihre strategische Vorbereitung auf die Folgen des Klimawandels“ genutzt werden.

Darüber hinaus wurde bei der Untersuchung von 43 der weltweit größten börsennotierten Fleischunternehmen festgestellt, dass nur zwei von ihnen eine klimabezogene Szenarioanalyse veröffentlicht haben, obwohl eine solche Analyse von der „Task Force on Climate-related Financial Disclosures“ (TCFD) empfohlen wurde.

Im Vergleich dazu haben 23 Prozent der Öl- und Gas-, Bergbau- und Versorgungsunternehmen diese Art von Klimaszenarienanalyse durchgeführt.

Coller fügte hinzu, dass „das Versäumnis des Fleisch- und Milchsektors, proaktiv für das Klimarisiko zu planen – wie vom TCFD vorgeschlagen – den Investoren keine andere Wahl gelassen hat, als die Sache selbst in die Hand zu nehmen und die Analyse selbst durchzuführen“.

USA beklagen EU-Verbot von Chlorhühnchen und Hormonfleisch

Die US-Regierung hat die Einfuhrverbote der EU für Chlorhühnchen und Hormonfleisch kritisiert. Dadurch entstehe ein Handelsdefizit mit der EU.

„Es ist keine akzeptable Strategie, wenn es bei dieser Höhe des Klimarisikos für die Lebensmittelindustrie darum geht, den Kopf in den Sand zu stecken“.

Besonders betroffen ist der Rindfleischsektor, wenn es ihm nicht gelingt, den Marktanteil an alternativen Proteinen zu verbessern und die Exposition gegenüber Rindfleisch und Geflügel zu reduzieren.

Coller hob hervor, dass die Ergebnisse der Analyse auf die Art und Weise, wie Unternehmen derzeit arbeiten, zugeschnitten sind.

Dennoch betonte er, dass alle Unternehmen das Potenzial haben, dies zu ändern, indem sie sich für einen „klimafreundlichen Weg“ entscheiden, bei dem die Unternehmen ihren Anteil an alternativen Proteinen schneller erhöhen und die Zusammensetzung von Futtermitteln und Vieh auf weniger klimabeeinflusste Pflanzen und Arten umstellen

Kommt es noch zur Fleisch-Steuer?

Kurz bevor in Deutschland die „grüne Woche“ startet, stößt eine CDU-Politikerin wieder das Thema einer Fleisch-Steuer an. Tierschützer fordern seit Jahren, die besonders niedrigen Steuern für Fleisch anzuheben. Doch besseres Tierwohl garantiert das nicht.

[Bearbeitet von Zoran Radosavljevic und Britta Weppner]

Abonnieren Sie unsere Newsletter

Abonnieren