Internationale Energieagentur: Deutschland braucht LNG

Eine Gasraffinerie - derzeit importiert Deutschland 94% seines Erdgasbedarfs. In Zukunft werden dafür neue Herkunftsländer gefunden werden müssen.

Die internationale Energieagentur hat ihren Länderbericht für Deutschland veröffentlicht. Darin lobt sie den Ausbau erneuerbarer Energien, warnt aber vor dem stockenden Ausbau der Stromtrassen. In Zukunft werde Deutschland noch mehr Gas importieren müssen – die ersten LNG Terminals sind bereits geplant.

Einiges an Lob erhielt Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) gestern von Fatih Birol, dem Direktor der internationalen Energieagentur (IEA). Gemessen daran, dass Deutschland jüngst an seinen Klimazielen für 2020 vorbeigeschrammt ist, war das nicht selbstverständlich. Deutschland könne in Sachen Energiewende ein „Beispiel für andere Länder sein“, lautete der versöhnliche Tonus von Birol. Am Mittwoch den 19. Februar hatte er in Berlin den IEA-Länderbericht für Deutschland vorgestellt, der Erste seit 2013.

In seinem Vortrag positionierte Birol Deutschland im globalen Kontext: Demnach waren es im vergangenen Jahr vor allem die EU und die USA, die den Großteil der weltweiten CO2-Reduktionen für sich beanspruchen konnten. Innerhalb Europas wiederum hatte Deutschland mit acht Prozent weniger CO2 als im Vorjahr einen „bemerkenswerten Rückgang“ zu verzeichnen, „so groß wie seit den 50er Jahren nicht mehr“. Erstaunlich sei, dass der deutsche Energieverbrauch in den vergangenen zehn Jahren stabil geblieben sei, während die Wirtschaftsleistung um 12 Prozent angewachsen ist. Grund dafür sind vermutlich Verbesserungen in der Energieeffizienz. „Daran sieht man, dass eine Energiereduktion auch in fortgeschrittenen Wirtschaftsräumen geschehen kann“, so Birol.

Europas Verkehr wird auch 2030 noch stark von Öl abhängig sein

Trotz des erklärten Ziels der EU-Kommission, den Verkehrssektor zu „dekarbonisieren“, wird der europäische Verkehrssektor wohl auch 2030 noch stark von fossilen Kraftstoffen abhängig sein.

Dennoch hat Deutschland – trotz des überraschenden Positivtrends von 2019 – seine Emissionsziele für 2020 verpasst. Nach Angaben der Denkfabrik Agora Energiewende erreichte Deutschland Ende vergangenen Jahres eine CO2-Einsparung von etwa 35 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990, wobei das verbindliche Ziel 40 Prozent gewesen waren.

Netzausbau ist „Priorität Nummer Eins“

Als „sehr gut“ bewertet die IEA den Ausbau der erneuerbaren Energien, deren Anteil inzwischen 38 Prozent des deutschen Stromverbrauchs ausmacht. Damit wurde die Zielmarke von 35 Prozent für das Jahr 2020 bereits übertroffen, betonte Wirtschaftsminister Altmaier. Außerdem erwarte man neue Rekordwerte beim Ausbau des grünen Stroms, dessen Preis in den kommenden Jahren weiter sinken solle. In ihrem Klimaschutzpaket vom September hatte sich die Bundesregierung darauf geeinigt, ab 2021 einen nationalen Zertifikatehandel für Heizöl, Erdgas, Diesel und Benzin einzuführen und einen Teil der Einnahmen zur Senkung der EEG-Umlage zu verwenden.

Offshore-Windkraft boomt weiter – aber nicht genug für die Klimaziele

Im Jahr 2019 wurde in Europa ein Rekord bei der Bereitstellung neuer Offshore-Windkraftkapazitäten aufgestellt. Diese nahmen um 3,6 Gigawatt zu. Das Tempo ist dennoch nicht ausreichend, um die ehrgeizigen Klimaziele der EU zu erreichen.

Obwohl erneuerbare Energien in Deutschland zunehmen, steckt vor allem die Onshore-Windbranche in einer tiefen Krise. Die EEG-Förderungen für viele Windanlagen laufen dieses Jahr aus, während es gleichzeitig an neuen Genehmigungen und dem nötigen Trassenausbau hapert. Letzteres sei daher „Priorität Nummer Eins“, so der EIA-Chef Birol. Das Übertragungsnetz von Nord nach Süd müsse möglichst schnell ausgebaut werden, um das Ziel der Bundesregierung, bis 2030 einen Anteil von 65 Prozent erneuerbarer Energien am Netz zu haben, nicht zu gefährden.

Wasserstoffproduktion hochfahren

Eine ganz große Baustelle bleiben dagegen der Transport- und der Gebäudesektor. Für Ersteren müsse die Regierung unbedingt starke Anreize für E-Mobilität sowie für öffentliche Verkehrsmittel schaffen, heißt es im IEA-Bericht. Der Wärmesektor beruht weiterhin zu großen Teilen auf fossilen Energieträgern: 25 Prozent der Wohnbereiche werden noch immer mit Ölheizungen beheizt, 44 Prozent mit Erdgas.

Für beide Sektoren werde Wasserstoff eine unumgängliche Rolle spielen, so Birol. „Das Hauptproblem bei blauem Wasserstoff sind bislang die Kosten. Die lassen sich nur senken, indem die Elektrolyseleistung deutlich hochgefahren wird“. Er hoffe daher, dass die Bundesregierung sich bald auf die von Altmaier am 01. Februar vorgelegte Wasserstoff-Strategie einige und sie in die Tat umsetze.

Deutschlands erste Wasserstoffstrategie steht

Erstmals ist Deutschlands Plan für eine Wasserstoffstrategie bekannt geworden. Der Entwurf sieht den Einsatz des CO2-freien Gases in Industrie und Verkehr vor und verspricht viele Millionen für die Forschung. Am Ende wird aber ein Großteil aus dem Ausland eingekauft werden.

Deutschland plant den Bau von drei LNG-Terminals

Bislang steckt der Einsatz von Wasserstoff in industriellem Ausmaß noch in den Kinderschuhen. Um den deutschen Kohle- und Atomausstieg zu überbrücken – beide zusammen machen derzeit noch rund 40 Prozent der Stromerzeugung aus – sei Erdgas „temporär die beste Lösung“, so Birol. Aus Sicht der IEA bietet sich dafür vor allem Flüssiggas an. 2040 könnten bis zu 60 Prozent des weltweit gehandelten Erdgas in Form von LNG verteilt werden, schätzt die Agentur.

Auch in Deutschland setzt man zunehmend auf LNG. Im Koalitionsvertrag hatten sich CDU, CSU und SPD zum Ausbau einer entsprechenden Infrastruktur bekannt. Derzeit existieren 28 LNG-Terminals in Europa, Deutschland plant den Bau seiner drei ersten Anlagen.

EU-Pläne für eine CO2-Grenzsteuer bewegen auch Russland

Ein Kreml-Berater hat die russischen Großunternehmen dazu aufgerufen, möglichst bald mit der Anpassung an die CO2-Regelungen der EU zu beginnen, wenn sie ihre Waren weiterhin auf dem EU-Binnenmarkt verkaufen wollen.

Wichtig sei vor allem, so die Empfehlung der IEA, dass Deutschland seine Gasversorgung diversifiziere. Derzeit bezieht die Bundesrepublik rund die Hälfte seines Erdgases aus Russland, der Rest gliedert sich auf Norwegen (31 Prozent) und die Niederlande (22 Prozent) auf. Da Letztere aber die eigene Förderung bis 2030 komplett einstellen möchten, ist Deutschland auf neue Importquellen angewiesen und hatte sich entgegen des heftigen Widerstands vieler EU-Mitgliedsstaaten für den Bau der North Stream 2 Pipeline nach Russland durchgesetzt. „Russland ist aber nur eine der Optionen. Wir wollen Monopole vermeiden“, verdeutlichte Altmaier gestern. Woher die deutsche Regierung ihr Gas beziehe, sei ihre eigene Entscheidung, so Birol. Angesichts des Überflusses an Gas und der niedrigen Marktpreise sei jetzt zumindest der ideale Zeitpunkt, neue Gas-Lieferverträge abzuschließen.

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