Deutsche verlieren Vertrauen in die US-Demokratie, aber hoffen auf Biden

Joe Biden und Kamala Harris bei ihrer Siegesfeier nach der Bekanntgabe ihres Wahlsieges. [EPA-EFE | Jim Lo Scalzo]

Die Wahlen in den USA haben laut einer neuen Umfrage bei vielen Deutschen Besorgnis über den Zustand der US-Demokratie ausgelöst. Trotzdem bleibt Deutschland hoffnungsvoll, dass Joe Biden die Beziehungen stabilisieren wird. Die USA werden weiterhin als wichtiger Partner in der Außenpolitik betrachtet.

In den vergangenen vier Jahren der Trump-Präsidentschaft gab es einige Tiefpunkte in den transatlantischen Beziehungen; viele Europäerinnen und Europäer hofften auf einen Führungswechsel im Weißen Haus.

Doch selbst nach der kürzlichen Wahl von Joe Biden sind die Deutschen immer noch besorgt über die Vereinigten Staaten, wie die Ergebnisse einer Umfrage aus der Ausgabe 2020 des Berlin Pulse der Körber-Stiftung zeigen: Von 1.058 Befragten gaben 53 Prozent an, dass die US-Wahlen ihr Vertrauen in die US-Demokratie geschwächt hätten. 51 Prozent sagten, Deutschland und Europa sollten unabhängiger von den USA werden.

Trotz dieses sinkenden Vertrauens in die US-Demokratie stimmten 78 Prozent der Befragten zu, dass sich „die transatlantischen Beziehungen unter der Präsidentschaft Donald Trumps verschlechtert haben und unter Joe Biden wieder normalisieren werden“. 13 Prozent gehen davon aus, dass sie sie in den kommenden vier Jahren gleich bleiben dürften.

Darüber hinaus bewerteten in der November-Umfrage 23 Prozent die USA als Deutschlands wichtigsten Partner in der Außenpolitik. Die Vereinigten Staaten liegen demnach an zweiter Stelle hinter Frankreich (43 Prozent) und deutlich vor China (sieben Prozent). Für die USA ist es ein Plus von 13 Punkten gegenüber der im September durchgeführten Studie zur gleichen Frage.

„Die letzten vier Jahre waren eine enorme Belastungsprobe für das transatlantische Verhältnis,“ kommentierte Nora Müller, Leiterin des Bereiches Internationale Politik bei der Körber-Stiftung. Die jüngsten Ergebnisse würden aber zeigen: „Der entstandene Schaden ist nicht irreparabel.“

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Schwieriger Stand gegenüber China

Die April- Ergebnisse einer Sonderausgabe der Berlin Pulse hatten Transatlantiker noch schockiert: Die Befragten zeigten sich gespalten beim Wunsch nach engeren Beziehungen zu China (36 Prozent) oder den USA (37 Prozent).

Die neueste Umfragerunde im November zeigt, dass die Trends wieder auf das Niveau vor der Pandemie zurückgekehrt sind. In derselben Frage sprachen sich 27 Prozent für eine engere Beziehung zu China aus (drei Prozentpunkte mehr als im Jahr 2019), während sich 56 Prozent eine engere Beziehung zu den USA wünschten (gegenüber 50 Prozent im Jahr 2019).

Der Anteil der Befürworter einer „Äquidistanz“ [gleich weit entfernt sowohl von China als auch den USA] ist hingegen deutlich zurückgegangen, von 18 Prozent im Jahr 2019 auf neun Prozent in diesem Jahr.

Die Redakteurin des Berlin Pulse Julia Ganter führt diese Veränderungen auf die Pandemie zurück, insbesondere auf die Medienberichterstattung über nationale Pandemie-Reaktionen. Im April hatte China relativ niedrige Fallzahlen, im Gegensatz zu den USA, wo „Donald Trump vor allem wegen seines besonders schlechten Krisenmanagements in den Medien war“, erklärte sie gegenüber EURACTIV Deutschland und fügte hinzu: „Zwischen unseren Befragungen Anfang April und September wurden dann auch vermehrt die negativen Aspekte des chinesischen Vorgehens bei der Pandemiebekämpfung öffentlich diskutiert und Chinas ‚Maskendiplomatie‘ kritisiert.“

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Ein Teil der Umfrage wurde bereits Mitte September durchgeführt und beinhaltet auch einen Vergleich der US-amerikanischen und deutschen Ansichten über die gegenseitigen Beziehungen. Dieser zeigt, dass die Befragten in ihrer Wahrnehmung weit voneinander entfernt sind.

Während die überwältigende Mehrheit der Amerikanerinnen und Amerikaner (zwischen 70 und 80 Prozent) die Beziehungen seit 2017 immer wieder als „gut“ bezeichnet hat, waren die Deutschen während der Trump-Präsidentschaft weitaus skeptischer. Im Jahr 2020 erreichte diese Skepsis einen Tiefpunkt: 79 Prozent der deutschen Befragten bewerteten die Beziehungen als schlecht.

Ähnliche Diskrepanzen gibt es bei der Frage, ob das jeweils andere Land ein Partner in Schlüsselfragen wie Klimawandel, Schutz von Menschenrechten und Demokratie oder einem aufstrebenden China sei. Die US-Befragten sahen die Ziele Deutschlands als übereinstimmend mit den Zielen ihres Landes an. Rund 75 Prozent sagten, Deutschland sei ein Partner in den Bereichen Umwelt und Schutz von Demokratie und Menschenrechten. Etwas ungünstiger beurteilten die Befragten die Zusammenarbeit mit China, aber immerhin 60 Prozent sahen Deutschland auch dabei als Partner.

Auf der anderen Seite war die Mehrheit der Deutschen der Meinung, dass die USA in allen drei Kategorien „kein Partner“ seien. Nur 28 Prozent sahen die USA als Partner im Umgang mit China an, während diese Zahl beim Schutz von Menschenrechten und Demokratie nur um zehn Prozentpunkte (38 Prozent) höher lag.

Am wenigsten Vertrauen haben die Deutschen in die Zusammenarbeit im Bereich Klimawandel: 84 Prozent gaben an, dass die USA in dieser Frage kein Partner seien.

Angesichts der Tatsache, dass diese Fragen im September gestellt wurden, besteht jedoch die Möglichkeit, dass sich mit der Wahl von Joe Biden die Stimmung ändern könnte, räumt Ganter ein: „Vor allem beim Thema Klimaschutz steht Joe Biden für einen Politikwandel. Man könnte sich vorstellen, dass die Antworten im Januar positiver für die Partnerschaft ausfallen würden.“

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