Languedoc: Frankreichs Winzer und die schwierige Anpassung an den Klimawandel

Neue Sorten, neue Techniken, neue Probleme: Im Süden Frankreichs verändert sich der Weinanbau. [EPA-EFE/CESARE ABBATE]

In den vergangenen 30 Jahren hat sich die Weinlese im Süden Frankreichs um gut drei Wochen verschoben. Gleichzeitig stieg der Alkoholgehalt vieler Weine um bis zu vier Prozentpunkte. Angesichts dieser bereits heute spürbaren Effekte des Klimawandels beschäftigen sich die Weinbauern im Languedoc mit Anpassungen in ihrer Arbeitsweise – und bei der Auswahl der Rebsorten. EURACTIV Frankreich berichtet.

Im Sommer 2019 verlor Robin Williamson rund die Hälfte seiner Ernte: Das Thermometer stieg auf bis zu 46°C; Trauben und Blätter in den Weinbergen seiner Domaine de Saumarez im Département Hérault wurden praktisch geröstet.

Zwar war der Sommer 2019 im Süden Frankreichs für den Weinanbau besonders verheerend, doch es war nicht das erste Mal, dass der Klimawandel im Languedoc deutlich spürbar wurde. „In manchen Jahren ernten wir jetzt schon Mitte August, wohingegen die Lese vorher meist erst im September erfolgte,“ erklärt der Winzer.

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Es ist eine Beobachtung, die auch von Jean-Marc Touzard bestätigt wird, einem Wissenschaftler am Nationalen Forschungsinstitut für Landwirtschaft, Ernährung und Umwelt (Institut national de recherche pour l’agriculture, l’alimentation et l’environnement, kurz: INRAE): Der Temperaturanstieg sei dafür verantwortlich, dass sich die Lese seit den 1980er Jahren im Durchschnitt um drei Wochen nach vorne verschoben habe, so Touzard.

Die Hitze verändere auch die Beschaffenheit der Trauben an sich, die heute mehr Zucker und weniger Säure enthalten. Somit erreichen Weine, die zuvor einen Alkoholgehalt von elf Prozent aufwiesen, inzwischen 14 oder gar 15 Prozent.

Darüber hinaus werde der Weinanbau im Mittelmeerraum nicht nur durch die steigenden Temperaturen, sondern auch durch immer häufiger auftretende, extreme Wetterereignisse wie Hitzewellen, Starkregen oder Stürme in Mitleidenschaft gezogen.

Williamson experimentiert daher seit einigen Jahren mit diversen neuen Techniken, um seine Erzeugnisse angesichts der wachsenden Probleme zu schützen: „Damit die Feuchtigkeit besser gespeichert werden kann, habe ich zum Beispiel die Menge der organischen Substanzen im Boden erhöht, indem ich im Herbst Hülsenfrüchte zwischen die Rebzeilen säe und sie im Frühjahr dann um- und in den Boden vergrabe,“ erläutert der Winzer.

Andere setzen hingegen auf verstärkte Bewässerung – eine Maßnahme, die laut dem INRAE-Forscher Touzard aber lediglich „als allerletztes Mittel“ eingesetzt werden sollte. Die extensive Bewässerung müsse auch in Dürrezeiten möglichst eingeschränkt bleiben.

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Neue Sorten, neue Hybride

Zahlreiche weitere Experimente finden auf den Parzellen – und in den Fässern – statt. Einige räumen manuellen Praktiken, wie dem Beschneiden der Kelche zwecks Beschattung der Trauben, den Vorzug ein.

Andere Winzerinnen und Winzer zeigen sich hingegen eher technik-affin. Es werden Temperatursensoren in den Weinbergen eingesetzt, die „Entalkoholisierung“ des Wein mit speziellen Membranen oder auch „Säurekorrekturen“ im Endprodukt per Elektrolyse ausgetestet.

Eine weitere wichtige Komponenten in den aktuellen Anpassungsstrategien ist die Wahl der Rebsorten. Einige Sorten, wie Grenache oder Carignan, haben sich als widerstandsfähiger erwiesen als andere, wie zum Beispiel Syrah. Traubensorten, die in südlicheren Regionen – in Italien, Griechenland oder Spanien – angebaut werden, haben nun auch das Interesse der französischen Winzer geweckt.

Williamson hat seinerseits Sangiovese angepflanzt, eine italienische Rebsorte, die von Natur aus einen höheren Säuregehalt hat und einen weniger alkoholhaltigen Wein hervorbringt. Touzard fügt hinzu: „Auch ältere Sorten wie Picpoul Noir werden wieder interessant. Oder man geht komplett anders vor, mit neuen Hybridsorten, die beispielsweise vom INRAE entwickelt wurden.“

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Auch an den in Frankreich und der EU wichtigen Ursprungsbezeichnungen gehen die Veränderungen nicht spurlos vorbei. So werden in der Region Languedoc inzwischen bestimmte Rebsorten zugelassen, obwohl sie in den traditionellen Produktionsvorgängen nicht vorgesehen sind: So akzeptiert die Appellation AOC Languedoc seit vergangenem Jahr, dass der zertifizierte Wein „aus Anpassungsgründen“ neue Rebsorten enthalten darf – zu immerhin zehn Prozent des Gesamtvolumens.

„All dies sind Ansätze und Lösungen, die eine Anpassung auch in einem Klimawandel-Szenario von mehr als zwei Grad Celsius Temperaturanstieg bis zum Ende des Jahrhunderts ermöglichen dürften,“ glaubt der INRAE-Forscher Touzard. Sollte der durchschnittliche Temperaturanstieg sich jedoch eher in Richtung vier Grad entwickeln, „ist es sehr wahrscheinlich, dass der Weinbau aus der Region verschwinden wird“.

Da wäre noch etwas…

Und die Winzerinnen und Winzer stehen vor einem weiteren Problem: Dem Zuspruch der Weinliebhaber.

„Die Weine aus dem Languedoc sind grundsätzlich alkoholhaltiger und schmecken nach sehr reifen Früchten, während aber die Nachfrage nach leichteren und frischeren Weinen zunimmt,“ merkt Touzard an.

Es sei auch schwierig, mit den neuen Rebsorten in der Wein-Öffentlichkeit zu punkten. „Wir haben mit dem Sangiovese jetzt eine Cuvée der Spitzenklasse hergestellt, um unseren Kunden eine erste Kostprobe zu geben. Der Verkauf läuft auch ganz gut, aber es bleibt ein Nischenmarkt,“ räumt der Winzer Williamson ein.

Sein Dilemma: „Um einen leichteren Wein zu erhalten, können wir die Lese noch weiter vorziehen. Aber das ergibt dann einen Schaumwein, was hier wiederum auch nicht üblich ist…“

[Bearbeitet von Tim Steins]

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