Ready to go: Wasserstoffwirtschaft als Wirtschaftsmotor 

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Deutschland wolle „Wasserstofftechnologie-Weltmeister“ werden, so Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, was „neben dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz die größte Innovation in der Geschichte der deutschen Energiewirtschaft“ bedeute. [Stephen Barnes/shutterstock]

Der Startschuss zur Erfolgsgeschichte des Wasserstofflands Deutschland erfolgte am 10. Juni 2020: Deutschland wolle „Wasserstofftechnologie-Weltmeister“ werden, so Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, was „neben dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz die größte Innovation in der Geschichte der deutschen Energiewirtschaft“ bedeute. Anzuerkennen ist, dass die Bunderepublik mit der Nationalen Wasserstoffstrategie womöglich die Ära des grünen Wasserstoffs eingeläutet hat, um Deutschland auf einen Wachstumspfad zu nachhaltiger Energieversorgung und neuer Prosperität zu führen.

Ein Standpunkt von Nils Aldag, Energy Pilar Chair von Hydrogen Europe.

Die 38 Maßnahmen sind mehr als eine direkte Reaktion auf die Corona-Krise: Längerfristig können sie als zukunftsorientierte, aktiv gestaltende Industriepolitik verstanden werden, die geeignet ist Innovationen zu fördern und bestehende Defizite abzubauen. Kritisch bleibt anzumerken, dass die Verabschiedung der Nationalen Wasserstoffstrategie längst hätte erfolgen können. Dennoch birgt sie positive Impulse für die hiesige Wirtschaft – insbesondere die Industrie. Denn „ohne grüne Moleküle wie Wasserstoff können wir die Klimaneutralität nicht erreichen“, so Altmaier weiter, „eine neue qualitative Stufe gelingt nur mit dem Einsatz von grünem Wasserstoff, dem Schlüsselrohstoff für eine erfolgreiche Energiewende und damit dem Energieträger der Zukunft.“

Investitionen gezielt einsetzen, Markthochlauf vorbereiten

Dieser zukunftsweisende Schritt erfordert den Übergang „heraus aus dem Labor, hinein in die Praxis“, so Bundesforschungsministerin Anja Karliczek, die in der gleichen Verlautbarung die 2020er als „Jahrzehnt der Forschung“ proklamiert. Für Deutschland als Innovationsland ist dies eine wichtige Botschaft: „Die breite Nutzung grünen Wasserstoffs ist unerlässlich für den heimischen Wirtschaftsstandort“. Der Aufbau einer globalen Wasserstoffwirtschaft, bei der Deutschland mit mutigem Beispiel vorangeht, „stellt eine enorme Chance für deutsche Technologieentwickler und Anlagenbauer dar – mit Produkten, die das Qualitätssiegel Made in Germany tragen.“ Der heimischen Wirtschaft eröffnet sich damit eine große Chance, deutsche Wasserstofftechnologie in großem Maßstab zu exportieren. Für die außereuropäischen Partner, wie etwa Marokko, bedeutet dies eine Win-win-Situation, da Deutschland nicht über genügende erneuerbare Energieträger verfügt, um die Wasserstoffnachfrage ohne Importe zu decken. Damit ist klar: Die Energiewende kann nicht im regionalen, nationalen oder auch europäischen, sondern nur im globalen Teamwork gelingen.

Wichtig ist: Ein Gelingen der Energiewende bedarf einer breiten Markteinführung von vorrangig grünem Wasserstoff, auch und gerade in bislang kaum zu elektrifizierenden Sektoren wie Schwerindustrie sowie Flug- und Schiffsverkehr. Positiv: Zur Finanzierung des tiefgreifenden Wandels, der eine umfassende Dekarbonisierung bedingt, stellt die Bundesregierung neun Mrd. Euro zur Verfügung und sendet damit ein wichtiges, aber wie schon bemerkt überfälliges Signal an die Wirtschaft.

Planungssicherheit schaffen, Pilotprojekte ermöglichen

Das neue Pilotprogramm für Elektrolyseanlagen auf Basis des Carbon Contracts for Difference Ansatzes beispielsweise wie auch die geplanten Investitionszuschüsse für neue Anlagen und die zusätzliche Innovationsförderung über 300 Millionen Euro schaffen die erforderliche Grundlage für Preisstabilität auf Seiten der Verkäufer und Käufer. Die zweiseitig-gleitende Prämie ist ein angemessenes Instrument, um die Markteinführung von Wasserstoff und den PtX-Folgeprodukten wie E-Fuels zu beschleunigen und Planungssicherheit zu garantieren. Besonderes Augenmerk liegt in diesem Zusammenhang auch auf der Befreiung grünen Wasserstoffs von der EEG-Umlage. Eine Steuerentlastung, die den positiven Auswirkungen grünen Wasserstoffs auf die CO2-Bilanz Rechnung trägt, ist unerlässlich für den Markthochlauf der Technologie.

Chancen für den Luftverkehr ergreifen, Neue Ära einleiten

In diesen Zeiten scheint ein Neuanfang für den internationalen Flugverkehr zum Greifen nahe. Deutschland kann mit verpflichtenden Beimischungsquoten von synthetischen Kraftstoffen den Grundstein für die Transformation der Luftfahrt legen und so eine Vorbildfunktion für andere Staaten einnehmen. Durch die Nutzung von Power-to-Liquids (PtL) kann dies auch im europäischen Maßstab gelingen. Deshalb fordert der Parlamentarische Staatssekretär des Bundesverkehrsministeriums Steffen Bilger, nun in die „Produktion einzusteigen und größere Mengen zu realisieren.“ Darüber hinaus erklärt er eine europäische Lösung zu einem der Ziele, die Deutschland im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft ab dem 1. Juli 2020 verfolgen wird. Auch wenn Wasserstoff somit zum zentralen Thema der Ratspräsidentschaft avanciert, entbindet sich die Bundesregierung selbstverständlich nicht davon, auch auf nationaler Ebene bei Quotenregelungen initiativ zu werden.

Mutig vorangehen, Nachhaltigkeit fördern,

Zweifellos kann nun mit der ambitionierteren Umsetzung der REDII-Richtlinie der notwendige Rahmen für die nachhaltige Nutzung von Wasserstoff geschaffen werden. Deutschland sollte sich aber auch seines starken Einflusses in der EU bewusst sein und diesen geltend machen. Durch die Verabschiedung der noch ausstehenden delegierten Rechtsakte kann sich die Bundesrepublik aktiv für ein geschlossenes Vorgehen der Europäischen Union einsetzen.

Potentiale erkennen, Ausbauziele ausweiten

Eine erfolgreiche Dekarbonisierung des Verkehrs- und Wärmesektors ist vor dem Hintergrund verpflichtender Klima- und Sektorenziele unausweichlich. Wasserstoff ist das bislang fehlende Bindeglied der Sektorenkopplung – und dies vor allem dort, wo eine direkte Elektrifizierung vorerst Utopie bleibt. In der endgültigen Fassung der Nationalen Wasserstoffstrategie wären deshalb ambitioniertere Ausbauziele gefordert gewesen. Drei bis fünf GW Elektrolyseleistung hätten so schon bis zum Jahr 2025 Realität werden können. Eine Produktion in dieser Größenordnung würde einen erheblichen Teil des hiesigen Bedarfs decken und den Pfad für eine nachhaltige Wirtschaft ebnen. Wollte man die Vorstellung der Wasserstoffstrategie auf einen Punkt bringen, bietet sich das folgende Statement Karliczeks an, die ebenfalls ambitioniertere Ausbauziele befürwortete: „Forschung und Mut zur Innovation können Deutschland zur Wasserstoffrepublik machen.“

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