CO2-Emissionen: Die Armen sparen, die Reichen prassen

Tim Gore von Oxfam: "Es ist an der Zeit, SUVs zu verbieten, Flugkerosin zu besteuern und in die Renovierung von Wohnungen sowie in öffentliche Verkehrsmittel zu investieren." [Tama66 / Pixabay]

Die ärmste Hälfte der Europäerinnen und Europäer hat ihre Emissionen um fast ein Viertel gesenkt, während die Emissionen der wohlhabendsten zehn Prozent weiter steigen. Die Bekämpfung dieser CO2-Ungleichheit müsse daher zu einem wesentlichen Bestandteil der EU-Klimaziele werden, so ein neuer Bericht von Oxfam und dem Stockholm Environment Institute.

„Die CO2-Reduzierungen der EU wurden vor allem von ärmeren Europäerinnen und Europäern erreicht, während die Reichsten offenbar meinen, einen Freifahrtschein zu haben. Aber jetzt muss jede und jeder seinen Beitrag leisten, um die weitgehenden Emissionssenkungen zu erreichen, die im kommenden Jahrzehnt erforderlich sind,“ so Tim Gore, Leiter für Klimapolitik bei Oxfam und Mitverfasser des Berichts.

Tatsächlich zeigt der am Dienstag veröffentlichte Bericht eine eklatante „Emissionsungleichheit“ sowohl zwischen als auch innerhalb der EU-Länder auf. So sind die reichsten zehn Prozent aller Europäerinnen und Europäer für mehr als ein Viertel der Emissionen verantwortlich – ebenso wie die komplette ärmste Hälfte.

Das wohlhabendste eine Prozent produziert satte sieben Prozent aller Emissionen.

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Die reichsten zehn und die reichsten ein Prozent haben ihren jährlichen CO2-Ausstoß um drei bzw. fünf Prozent gegenüber 1990 erhöht. Menschen mit mittlerem Einkommen (zwischen 20.000 und 40.999 Euro jährlich) waren indes für knapp die Hälfte der Ausstoße verantwortlich; sie reduzierten ihre Emissionen allerdings um 13 Prozent.

Derweil hat die ärmste Hälfte der europäischen Bevölkerung die Emissionen um fast ein Viertel gesenkt. Gleichzeitig werden sie jedoch am härtesten vom Klimawandel betroffen sein.

Oxfam fordert daher, dass die EU ihren Green Deal nutzen sollte, um Abhilfe zu schaffen und die Ungleichheit zu bekämpfen, während zeitgleich die CO2-Emissionen gesenkt werden: „Der Green Deal der EU kann und sollte auf die Emissionen der Reichsten abzielen und gleichzeitig den Europäerinnen und Europäern mit niedrigerem Einkommen direkt zugute kommen. Es ist an der Zeit, SUVs zu verbieten, Flugkerosin zu besteuern und in die Renovierung von Wohnungen sowie in öffentliche Verkehrsmittel zu investieren, um die Kraftstoffarmut zu beenden, Millionen von menschenwürdigen Arbeitsplätzen sowie saubere Luft für alle zu schaffen,“ so Gore.

Luxus als Emissionstreiber

Sivan Kartha, leitender Wissenschaftler am Stockholm Environment Institute, fügt hinzu: „Es ist verblüffend zu sehen, dass, obwohl die Emissionen in den letzten 30 Jahren bescheiden zurückgegangen sind, die Emissionen der Reichsten hartnäckig weiter ansteigen. Das Klimaproblem kann einfach nicht gelöst werden, wenn der Luxuskonsum weiter zunimmt und die Armut nicht bekämpft wird.“

Flug- und Autoreisen machen etwa 30-40 Prozent des CO2-Fußabdrucks der Europäerinnen und Europäer mit den höchsten Emissionen aus. Bis auf zwei Ausnahmen haben die Verkehrsemissionen seit 1990 in allen Mitgliedsstaaten zugenommen. Sie machen etwa ein Viertel der gesamten CO2-Ausstöße in der EU aus.

Darüber hinaus ist die Union aktuell für 15 Prozent der globalen Verbrauchsemissionen verantwortlich, obwohl sie nur sieben Prozent der Weltbevölkerung umfasst.

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In einem weiteren Bericht war bereits im September festgestellt worden, dass das reichste eine Prozent der gesamten Weltbevölkerung zwischen 1990 und 2015 für doppelt so viele CO2-Emissionen verantwortlich war wie die ärmere Hälfte der Welt.

Damit die EU die Erderwärmung auf 1,5°C begrenzen kann (wie im Pariser Klimaabkommen festgelegt) müsste der CO2-Fußabdruck der reichsten zehn Prozent bis 2030 zehnmal kleiner werden. Die reichsten ein Prozent müssen ihre Emissionen sogar um das 30-fache reduzieren. Im Vergleich dazu sollte die ärmste Hälfte ihren Ausstoß um etwa 50 Prozent mindern.

Gefahr für EU-Ziele

Die Staats- und Regierungschefs der EU werden auf einem Gipfel Ende dieser Woche über das vorgeschlagene Ziel diskutieren, die EU-weiten Emissionen um 55 Prozent zu senken.

Oxfam geht jedoch davon aus, dass Reduktionen von mehr als 65 Prozent notwendig sind, damit die EU ihren gerechten Anteil an den weltweiten Emissionseinsparungen beisteuern kann.

Gore warnt daher, die CO2-Ungleichheit könne die Klimaziele der EU ernsthaft in Gefahr bringen. Die EU-Spitzen müssten dringen einen gemeinsamen Ansatz zur Senkung der Emissionen und zur gleichzeitigen Bekämpfung der Ungleichheit verfolgen.

Mit Verweis auf die Gelbwesten-Proteste in Frankreich erinnert er, dies sei nicht nur im Sinne der Klimapolitik.

[Bearbeitet von Tim Steins]

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