Kommission warnt: Einige EU-Staaten müssen ihre Haushaltspläne ändern

Italiens Finanzminister Roberto Gualtieri während eines Treffens der EU-Finanzminister am 10. Oktober in Brüssel. [Photo: Council]

Die Europäische Kommission hat Schreiben an einige EU-Mitgliedstaaten gerichtet, die Gefahr laufen, ihre Haushaltsziele für 2020 zu verfehlen. Brüssel möchte mehr Informationen darüber erhalten, wie die nationalen Regierungen die öffentlichen Finanzen ausgleichen wollen.

Italien und Spanien gehören zu den Ländern der Eurozone, die einen solchen Brief erhalten, hatte ein EU-Beamter EURACTIV.com bereits am Montagabend mitgeteilt, bevor die Schreiben am Dienstagmorgen offiziell übermittelt wurden. Auch Belgien, Frankreich und Portugal haben heute solche Briefe erhalten.

Nach den EU-Vorschriften kann die Kommission innerhalb von sieben Tagen nach Vorlage der nationalen Haushaltspläne zusätzliche Informationen einholen. Die meisten Entwürfe waren am 15. Oktober an Brüssel geschickt worden.

Finnland, dessen Regierung ihren Haushaltsentwurf für 2020 bereits am 7. Oktober vorgelegt hatte, erhielt ebenfalls sieben Tage später eine Benachrichtigung. Zwei weitere Tage später antwortete Helsinki entsprechend.

Deutschland & Niederlande sollen investieren, der Rest sparen

Die Briefe kommen zu einem Zeitpunkt, an dem die Kommission und andere Institutionen, einschließlich der EZB und des IWF, die europäischen Länder erneut drängen, ihre teils sehr hohen Schuldenstände zu reduzieren. Andere Volkswirtschaften, allen voran Deutschland und die Niederlande, werden hingegen aufgefordert, endlich etwas tiefer in die Tasche zu greifen und so ihre Wirtschaft zu stimulieren.

Deutschland soll endlich investieren

EU-Vertreter haben Deutschland einmal mehr aufgefordert, die öffentlichen Ausgaben zu erhöhen. Berlin solle insbesondere in Bildung und Wissenschaft investieren.

Nach Vorlage der Haushaltsplanentwürfe für 2020 hat die EU-Exekutive offenbar einige Bedenken, da verschiedene Länder eine „erhebliche Abweichung“ in Bezug auf die Finanzziele aufweisen. Die Kommission ist besonders beunruhigt hinsichtlich der Einhaltung des sogenannten Struktursaldos, bei dem Veränderungen des Konjunkturzyklus sowie einmalige Ausgaben- und Einnahmenmaßnahmen nicht berücksichtigt werden.

Das strukturelle Defizit ist dabei der wichtigste Indikator für die Überwachung der öffentlichen Finanzen der Mitgliedstaaten.

„Sorgenkinder“ Spanien und Italien

Spanien, das im Frühjahr das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit einstellen konnte, verzeichnete im vergangenen Jahr mit rund 3,2 Prozent des BIP (mehr als 38 Milliarden Euro) das größte strukturelle Defizit unter den Ländern der Eurozone.

Italien hatte sich im vergangenen Jahr mit der Kommission heftig über seine Ausgabenpläne gestritten, da das Land seine immense Staatsverschuldung von geschätzten 138 Prozent des BIP nicht wesentlich reduzieren wollte.

Im Juli hatte die Kommission dann zum zweiten Mal ein Sanktionsverfahren gegen Rom gestoppt, da neue Anpassungen versprochen wurden.

Keine EU-Sanktionen: Italien knickt ein und kürzt Ausgaben

Die EU-Kommission ist zu dem Schluss gekommen, Italien verstoße nicht mehr gegen die EU-Finanzvorschriften. Die Regierung in Rom hatte in letzter Minute die öffentlichen Ausgaben um 7,6 Milliarden Euro gekürzt.

Stattdessen sieht der italienische Haushaltsentwurf für 2020 nun aber eine Erhöhung des „Strukturdefizits“ auf 1,4 Prozent des BIP vor – verglichen mit 1,2 Prozent in diesem Jahr. Nach EU-Vorschriften sollte das strukturelle Defizit im nächsten Jahr tatsächlich um 0,6 Prozentpunkte gesenkt werden.

Ein Sprecher der italienischen Regierung teilte der Nachrichtenagentur Reuters lediglich mit, Rom werde bis Mittwoch auf das Schreiben der Kommission antworten.

Sonderfall Spanien

EU-Insider wiesen derweil darauf hin, dass die Fälle Italien und Spanien durchaus unterschiedlich seien, da in Madrid aktuell eine Übergangsregierung besteht. Spanien legte im Oktober zum zweiten Mal einen Haushalt für das nächste Jahr vor, da die Regierung eine erste Version nicht mehr offiziell verabschiedet hatte, bevor es zu Neuwahlen im April kam. Da seitdem keine neue Regierungskoalition zustande gekommen ist und erneute Neuwahlen für den 10. November anberaumt sind, ist unklar, inwiefern der aktuelle Haushaltsplan von einer neuen Regierung tatsächlich übernommen und umgesetzt wird.

Der Brief an die sozialdemokratische Interimsregierung unter der Leitung von Ministerpräsident Pedro Sánchez wird daher eher als „Signal“ an die nächste Regierung angesehen, notwendige Anstrengungen und die entsprechenden Anpassungen vorzunehmen.

Spanien steuert auf Neuwahlen im November zu

Spanien wählt im November zum vierten Mal binnen vier Jahren ein neues Parlament: Der geschäftsführende Ministerpräsident Pedro Sánchez kündigte für den 10. November Neuwahlen an, nachdem er keine Unterstützung für ein weiteres Mandat finden konnte.

Belgien und Portugal, wo ebenfalls noch keine neuen Regierungen gebildet worden sind, wurde ähnlich auferlegt, aktualisierte Haushaltspläne vorzulegen, sobald neue Führungen im Amt sind.

Spanien hat derweil mit Brüssel bereits vereinbart, sein Defizit im kommenden Jahr auf 1,1 Prozent des BIP und sein strukturelles Defizit um 0,65 Prozent des BIP (7,8 Milliarden Euro) zu senken.

Die amtierende spanische Wirtschaftsministerin Nadia Calviño traf vor zwei Wochen mit dem scheidenden Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici und seinem wahrscheinlichen Nachfolger, dem designierten italienischen Kommissionsmitglied Paolo Gentiloni, zusammen, um die politische Situation in Spanien und die Haushaltslage erneut zu erörtern.

Calviño zeigte sich gegenüber der Presse anschließend entspannt. Sie habe „keinerlei Sorge“ bei dem Treffen bemerkt, als sie die aktuelle Situation darlegte. Calviño versprach einmal mehr, das Land werde „alle Anstrengungen unternehmen“, um die Finanzziele im kommenden Jahr zu erreichen.

[Bearbeitet von Sam Morgan und Tim Steins]

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