Opposition wirft Regierung im Bundestag Leisetreterei gegenüber Erdogan vor

Redner der Opposition haben der Bundesregierung Leisetreterei angesichts des türkischen Einmarschs in die Kurdengebiete Nordsyriens vorgeworfen. [Shutterstock]

Redner der Opposition haben der Bundesregierung Leisetreterei angesichts des türkischen Einmarschs in die Kurdengebiete Nordsyriens vorgeworfen. Linkspartei, Grüne und FDP kritisierten in einer Aktuellen Stunde am Mittwoch im Bundestag vor allem, dass ausgerechnet die Bundesregierung einen gemeinsamen europäischen Rüstungsexportstopp verhindert habe.

Während die Opposition und auch die CDU das türkische Vorgehen eindeutig als völkerrechtswidrig verurteilten, äußerte sich Außen-Staatsminister Niels Annen (SPD) zurückhaltender.Die Linken-Politikerin Sevim Dagdelen rechnete in der von ihrer Fraktion beantragten Debatte vor, dass Deutschland allein 2018 sowie bis April 2019 Kriegswaffen im Wert von mehr als 400 Millionen Euro an die Türkei geliefert habe – ungeachtet des bereits zuvor erfolgten Einmarschs in das syrische Kurdengebiet Afrin. „Das ist Beihilfe zum Unfrieden in der Region“, sagte Dagdelen. „Dieser Wahnsinn muss gestoppt werden“, forderte sie mit Blick auf das Vorgehen des türkischen Militärs.

„Wir sagen eindeutig, dass das völkerrechtswidrig ist“, sagte auch der CDU-Außenpolitiker Johann Wadephul im Bundestag. Es gebe „keine völkerrechtliche Rechtfertigung für diese Aktionen, die die Türkei in Nordsyrien durchführt“ und die den „Versuch einer Landannexion“ darstellten. „Wir fordern die Türkei zum Rückzug aus Nordsyrien auf“, stellte Wadephul weiter klar. Scharf wandte er sich gegen Schmähungen von Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) durch den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.

Von einem „klar völkerrechtswidrigen Angriffskrieg“ der Türkei sprach auch der FDP-Außenpolitiker Bijan Djir-Sarai. Er erinnerte daran, dass ohne die nun von Erdogan angegriffenen Kurden die Dschihadistenorganisation Islamischer Staat (IS) in Syrien nicht so schnell besiegt worden wäre. Das türkische Vorgehen nannte er eine „Bedrohung für die internationale Gemeinschaft“.

Djir-Sarai kritisierte, dass die Bundesregierung bislang – anders als Frankreich – nicht den türkischen Botschafter einbestellt habe und „schlimmer noch, sich gegen ein europäisches Waffenembargo ausspricht“.

Auf bereits 200.000 durch den türkischen Einmarsch vertriebene Zivilisten in Nordsyrien verwies Grünen-Fraktionsvize Agnieszka Brugger. Sie kritisierte Außenminister Maas, der zwar das Vorgehen der Türkei kritisiert, aber auch Verständnis für deren „Sicherheitsinteressen“ geäußert hatte. „Es geht Erdogan nicht um Sicherheit, es geht um ethnische Vertreibung“ der Kurden, denen es in Nordsyrien gelungen sei, ein weitgehend demokratisches Gemeinwesen aufzubauen, sagte die Grünen-Politikerin. Sie warf der Bundesregierung eine „ängstliche und untätige Haltung“ vor und forderte den Widerruf erteilter Genehmigungen für Rüstungsexporte.

Eine klarere Haltung der Bundesregierung verlangte auch der AfD-Politiker Rüdiger Lucassen. Er hielt Union und SPD vor, zwar immer wieder Einschränkungen von Waffenexporten zu verkünden, diese dann aber offenbar „klammheimlich wieder aufzunehmen“.

Außen-Staatsminister Annen kritisierte ebenfalls das türkische Vorgehen, durch das „der ohnehin schon fragile Friedensprozess in Syrien“ in Gefahr gerate. Zudem hätten durch die türkische „Militäroffensive“ IS-Kämpfer aus kurdischer Gefangenschaft fliehen können.

Annen sprach wie Maas auch von „berechtigten Sicherheitsinteressen“ der Türkei, diese rechtfertigten aber „nicht den derzeitigen Militäreinsatz“. Entsetzt äußerte sich Annen über Verbrechen durch mit der Türkei verbündete islamistische Milizen, darunter die mutmaßliche Ermordung der kurdischen Politikerin Hafrin Chalef.

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