Neue Kommission verspricht „Green Deal“

Das Ziel ist klar: Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans soll den "European Green Deal" Realität werden lassen. [Photo: EPA-EFE/DANIEL DAL ZENNARO]

„Ich möchte, dass der Green Deal Europas Markenzeichen wird,“ erklärte die designierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gestern bei der Präsentation ihres neuen Teams. Sie beauftragte ihren Vize Frans Timmermans mit der Kontrolle über das Ziel, bis Mitte des Jahrhunderts „Klimaneutralität“ zu erreichen.

Ein Hauptziel für von der Leyens neue Kommission sei demnach, Europa zum „ersten klimaneutralen Kontinent der Welt“ zu machen.

Als von der Leyen gestern ihr Team präsentierte, stand die Ernennung von Frans Timmermans zum geschäftsführenden Vizepräsidenten mit Zuständigkeit für den europäischen Green Deal an erster Stelle. Sie betonte dabei, Klimaneutralität sei auch ein wirtschaftliches Muss: “Wer zuerst und am schnellsten handelt, wird am ehesten von den Möglichkeiten des ökologischen Wandels profitieren.”

Weiter forderte von der Leyen: „Ich möchte, dass Europa Vorreiter ist. Ich möchte, dass Europa Wissen, Technologien und bewährte Verfahren exportiert.“

Timmermans wird in der neuen Kommission außerdem für Klimaschutz zuständig sein und somit die Aufgaben des Spaniers Miguel Arias Cañete übernehmen.

Im Gegensatz zur bisherigen Struktur der Juncker-Kommission haben die Spitzenbeamten nun Zugang zu den Diensten der Generaldirektionen der Exekutive. Im Falle von Timmermans ist das die GD Klima.

„Wir brauchen einen ehrgeizigen Green New Deal für Europa, der die Zukunft unserer Kinder gestaltet und ihre Gesundheit, ihren Wohlstand und ihre Sicherheit auf einem grünen und florierenden Planeten gewährleistet,“ tweete der Niederländer nach seiner Ernennung und fügte hinzu, er freue sich, „in den kommenden fünf Jahren daran zu arbeiten“.

Timmermans‘ Aufgaben und Herausforderungen

Von der Leyen hat in ihrem sogenannten „Mission Letter“ bereits konkrete Anfragen an Timmermans gerichtet. So ist er nun damit beauftragt, eine Reihe von Zusagen zu erfüllen, die von der Leyen während ihrer Wahlkampagne gemacht hat, um den Segen des Europäischen Parlaments für ihre Präsidentschaft zu erhalten.

Dazu gehört die Anhebung des Emissionsminderungsziels der EU für das Jahr 2030 von 40 Prozent „auf mindestens 50 Prozent“ sowie „ein umfassender Plan zur Erhöhung […] in Richtung 55 Prozent“ bis 2021.

Timmermanns soll innerhalb der ersten 100 Amtstage der neuen Kommission auch „das erste europäische Klimagesetz“ vorschlagen. Diese Gesetzgebung muss die Verpflichtung des Blocks beinhalten, bis 2050 klimaneutral zu werden.

In der Praxis bedeutet dies, dass sich der Niederländer darauf verlassen muss, dass endlich alle Mitgliedstaaten das 2050er-Ziel einstimmig unterstützen. Bisher hat sich dies aufgrund der Einwände der Tschechischen Republik, Estlands, Ungarns und Polens als schwer umsetzbar erwiesen.

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Diplomaten des EU-Rates haben gegenüber EURACTIV allerdings mitgeteilt, sie seien „relativ zuversichtlich“, dass zumindest auf dem EU-Gipfel am 12. Dezember in Brüssel ein endgültiges Abkommen ausgehandelt werde. Ein Grund für den Optimismus: In Polen ist dann das heikle Hindernis „Parlamentswahlen“ abgehakt.

Die ersten 100 Tage im Amt werden Anfang Februar erreicht, während der erste Gipfel im Jahr 2020 erst Anfang März stattfinden wird. Die EU-Mitgliedstaaten müssten sich daher das Ziel setzen, tatsächlich bis zum Jahresende einen Deal zu erzielen. Die vier Bremser müssen jedoch insbesondere hinsichtlich finanzieller Bedenken wohl weiterhin überzeugt werden.

Um die Unterstützung Polens zu gewinnen, verwies von der Leyen erneut auf den „Energiewendefonds“ (Just Transition Fund), ein Finanzinstrument, das mit dem Kohlenstoffmarkt der EU verbunden ist und sich gerade an Länder wie Ungarn und Polen richtet. Mit ihm sollen die wirtschaftlichen, finanziellen und auch sozialen Folgen des Kohleausstiegs abgefedert werden.

Timmermans wurde mit der Koordination der Umsetzung beauftragt; der Fonds selbst wird aber von der für Regionalpolitik zuständigen Kommissarin Elisa Ferreira verwaltet.

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Estnische Kommissarin für Energie zuständig

Timmermans wird den Klima-Kampf natürlich nicht alleine führen. Im Rahmen seiner Aufgaben als Exekutivpräsident wird er seine Arbeit auch mit den für Energie, Verkehr, Landwirtschaft und auch Handel zuständigen Kommissionsmitgliedern koordinieren (müssen).

Kadri Simson, die estnische Kommissarin, wird sich indes um die Energiepolitik kümmern. Diese Portfolio wird unter von der Leyen also vom Bereich Klima abgetrennt und eigenständig behandelt. Die ehemalige Wirtschaftsministerin Estlands ist keine Unbekannte in diesem Bereich: Während der estnischen Ratspräsidentschaft hatte sie die interinstitutionellen Gespräche über die Reform der europäischen Strommärkte geleitet.

In ihrem Aufgaben-Brief an Simson fordert von der Leyen, Simson solle dafür sorgen, dass Europa dem Grundsatz „Energieeffizienz zuerst“ in allen Bereichen folgt und die Nutzung erneuerbarer Energien weiter fördert.

CO2-Steuer an den EU-Grenzen?

Die potenziell brisanteste Initiative dürfte jedoch der Vorschlag für eine sogenannte CO2-Grenzsteuer sein, den von der Leyen dem zukünftigen Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni zugewiesen hat.

„Sie sollten die Führung bezüglich des Vorschlags für eine CO2-Grenzsteuer übernehmen und eng mit dem Exekutiv-Vizepräsidenten für den European Green Deal zusammenarbeiten,“ schreibt von der Leyen in ihrem Mission Letter an Gentiloni. Ihrer Ansicht nach sei die Steuer „ein wichtiges Instrument, um CO2-Verlagerungen zu vermeiden und sicherzustellen, dass EU-Unternehmen unter gleichen Wettbewerbsbedingungen wettbewerbsfähig sind“.

Sie fügte hinzu: „Die CO2-Grenzsteuer sollte vollständig mit den WTO-Regeln vereinbar sein.“

Während ihrer gestrigen Pressekonferenz wollte die neue Kommissionspräsidentin derweil nicht weiter auf die Steuer eingehen.

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Während die CO2-Grenzsteuer aufgrund der befürchteten Handelsstreitigkeiten, die sie auslösen könnte, insbesondere in Deutschland zunächst als „No-Go“ galt, scheint sie inzwischen immer mehr Anhänger in Berliner und europäischen Wirtschaftskreisen zu finden.

Anfang des Jahres teilte Europas größte Unternehmenslobbygruppe BusinessEurope mit, man diskutiere die Idee. Ziel müsse es sein, gleiche Wettbewerbsbedingungen mit Ländern wie China oder den USA wiederherzustellen, die ihren heimischen Industrien keine oder kaum Umweltverschmutzungsregeln auferlegen. „Wir versuchen, anderen großen Akteuren in der Welt zu zeigen, dass wir uns nicht nur dafür einsetzen, unsere Klikmaziele zu erreichen, sondern sie auch durchzusetzen,“ so der (deutsche) Generaldirektor von BusinessEurope, Markus J. Beyrer.

Jetzt geht’s ans Eingemachte: Die Anhörungen im EU-Parlament

Da die Aufgabenverteilung und die Ernennung der Kandidatinnen und Kandidaten von Seiten der Kommission abgeschlossen sind, übernimmt das Europäische Parlament nun die Initiative: Die Abgeordneten führen bald Anhörungen zu den Personalentscheidungen von der Leyens durch und befragen die potenziellen Kommissionsmitglieder. Diese müssen in einer Parlamentsabstimmung bestätigt werden.

Im Bereich Umwelt/Klima dürfte es dabei im Vergleich zu einigen anderen Ressorts und Kandidaten verhältnismäßig ruhig zugehen.

Der Vorsitzende des Umweltausschusses, Pascal Canfin (Renew Europe), erklärte gestern bereits, er begrüße „die neue Organisation der Europäischen Kommission. Der ökologische Wandel wird als Priorität behandelt; unter der Verantwortung des ersten Vizepräsidenten“.

Timmermans seinerseits sagte, er „freue“ sich auf seine Anhörung im Parlament.

Während seines Wahlkampfs um den Kommissionsvorsitz hatte er sich verpflichtet, „persönlich für den Kampf gegen den Klimawandel einzustehen“.

[Bearbeitet von Tim Steins]

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